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Manuela-Kinzel-Verlag

Zur dritten Stunde.

   

LESEPROBE:
Leseprobe: „Zur dritten Stunde“. In: Jahrmarkt der Mysterien. Burgenwelt Verlag Bremen 2019.
(…) „Es wird sich wenden und weisen. Heute Nacht. Es muss sich entscheiden zur dritten Stunde. Zur Matutin.“
Schwester Agathes Stimme klang dumpf, schwer und gebietend wie bei einer Beschwörung. Anna sah die Seelfrau an. Des Öfteren hatten sie und Andreas dem kleinen Konvent am Heilig-Geist-Gässchen einen Besuch abgestattet, um den frommen Frauen, die Kranke pflegten und Verstorbene wuschen, eine Geldsegnung zu überbringen. Diese Schwester, Agathe Grasschneyder, aber hatte Anna noch nie gesehen, sie konnte sich nicht erinnern. Seit zwei Tagen löste sie immer häufiger Schwester Leanda ab, die bisher neben dem meist andernorts beschäftigten Stadtmedicus ein- und ausging. Erst seit kurzem musste sie in Füssen weilen. Sie käme aus Köln, hatte Schwester Agathe bei ihrem ersten Aufenthalt im Vorhoefer-Haus knapp geantwortet, und sei in den oberschwäbischen Städten weit herumgekommen. Trotz der rheinischen Herkunft sprach sie die Mundart des Allgäus, als wäre sie hier geboren.
„Was entscheidet sich?“ fragte Anna voll grauenhafter Gewissheit. „Der Wille … Gottes?“ Ein Hustenstich brannte in ihrer Brust.
O könnte ich sein Leiden in meines wandeln. Mein Schmerz für die Trauer des Herrn. Und für das Leben dieses Kindes.
Sie zitterte innerlich, Krämpfe schlugen in ihren Eingeweiden zusammen. Kalt wie ein Wassertropfen, der ihr in den Nacken fiel, traf das Bimmeln eines Glöckchens ihre aufgewühlten Sinne. Sie riss den Kopf herum: Das Wachs der Kerzenuhr auf dem Schreibpult, an dem Lukas seine Lektionen in Latein und im Rechnen zu erledigen hatte, war so weit herabgeschmolzen, dass es die über einen Halter gespannte Kette frei gab. Das Glöckchen am Kettenende geriet in Bewegung und läutete die dritte Stunde dieses Tages ein, der für immer in schwarzer Winternacht gefangen schien.
„Gottes Wille“, antwortete eine Stimme von irgendwo aus den unruhig durchleuchteten Schatten des Zimmers. Ehe Anna den Kopf wenden konnte, hing die Uhrenglocke inmitten der Schwingung still. Verwirrt und verängstigt starrte sie zu der Seelfrau hinüber: Schwester Agathe hielt ihre Hand erhoben, eine immer noch schöne, weiße Hand mit blauen Adern. Als hätte sie das Glöckchen angehalten. (…)