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Manuela-Kinzel-Verlag

Elfenstaub und Feentanz. Fantasy aus dem Sperling Verlag, Schlüsselfeld 2016.

   

LESEPROBE:
Heimkehr nach TírNanOg. In: Elfenstaub und Feentanz. Fantasy aus dem Sperling Verlag, Schlüsselfeld 2016.
Fionnuala hörte den Ruf, als sie vor der Tür des reetgedeckten Hauses kniete und den Reibstein über die Körner gleiten ließ. Der trompetende Schrei kam aus der Richtung des Strandes. Beinahe ein Gesang war es, klagend und hoffnungsvoll zugleich, süß, schwermütig und wild. Von einer sehnsüchtigen Ahnung erfüllt, stand Fionnuala auf, wischte Mehl und Weizenspelze von den Händen. Das Mädchen kümmerte sich nicht darum, ob gleich die Bäuerin herauskommen und schimpfen würde, es solle bei der Arbeit nicht säumen. Es reckte seinen Kopf nach der Stimme, die ihm so vertraut in der Seele klang, Erinnerungen an entschwundene Zeiten und ein anderes Leben – sein eigentliches Leben – in ihm zu wecken schien.
Fionnuala – Nuala – Nuala tönte es in der salzigen, nach Tang riechenden Luft.
Über die Blocksteinmauer hinweg sah sie nur den weißen Sand, den der Wind des Westlichen Meeres zu Fahnen verblies. Türkisgrün und dunkelblau die See, unermessliche, wogende Größe bis zum Horizont, wo die Insel Gluaira als bläulicher Schatten schwebte.
Wohl nur die Möwen, dachte Fionnuala. Aus tiefen Wolken fächerte sich ein Sonnenstrahl und beleuchtete einen hellweißen Fleck auf der Sandebene. Bestimmt ein großer, einsamer Seevogel, nichts weiter.
Sie wollte wieder Korn mahlen, da drang der Ruf erneut zu ihr. Deutlich vernahm sie auch dieses Mal den Hall ihres Namens. Jetzt ortete sie die Stimme durch eine Lücke in der Mauer, von wo ein überwachsener Hohlweg durch die Dünen zum Strand führte. Und in dem versteckten Durchlass, in dem Bogen aus Farn und Heckenrosen schwoll ein zartgoldenes Licht, verschleiert wie der Schein des Sonnenuntergangs nach einem Regenschauer. Es war Fionnuala, als hätte sie schon einmal in dieses zauberische Abendlicht geblickt … vor wie langer Zeit? Hundert Sommer? Tausend gar? Aber sie war doch nur ein junges Mädchen, eine Waise überdies. Sie diente einem Bauern, dessen Weib und Sohn, eine gewöhnliche kleine Magd, auch wenn sie sich die meiste Zeit ihres Lebens wie in einem Traum voll perlmutt- und goldfarbener Helligkeit fühlte, voll lockender und tröstender Musik. Undeutlich spürte sie manchmal noch die streichelnde Hand ihrer Mutter im Haar und hörte deren Erzählung, die wie ein Lied ohne Worte, doch von magischem Klang, auf sie herab strömte.
Sie setzte sich in Bewegung, lief in den leuchtenden Gebüsch-Gang hinein und der Quelle des Rufes entgegen.