SCHREIBZEITEN

Über mich
Romane
Kurzgeschichten
Märchen
Kontakt
Partner
Bücher Bestellung
Blog
Datenschutzerklärung
Impressum

Manuela-Kinzel-Verlag

Kalter Hauch. Nichts ist, wie es scheint. Fantasy aus dem Sperling Verlag Nürnberg 2014.

   

LESEPROBE:
Wie kalt die Nacht. In: Kalter Hauch. Nichts ist, wie es scheint. Fantasy aus dem Sperling Verlag Nürnberg 2014.
Als Techniker sind mir irrationale Ängste fremd. Trotzdem finde ich die Landstraße ein wenig unheimlich, wie sie mir im Scheinwerferlicht entgegen gleitet. Zur Rechten ziehen die ersten Waldbäume vorüber. Eine Prozession knorrig-grauer Säulen, die bald auch linkerhand die nebeligen Wiesen ablöst. Hinter den Stämmen lauert die Schwärze der Oktobernacht.
Ich hatte einem älteren Herrn die Satellitenschüssel aufs Dach montiert und sicher nicht damit gerechnet, dass ich bis lange nach Einbruch der Dunkelheit blieben würde. Herr Kaulberger hatte mir eine Apfelschorle kredenzt, der eine Brotzeit und schließlich ein abendfüllendes Gespräch über sein Leben folgte. „Bleiben Sie doch noch, junger Mann, Sie haben eine weite Fahrt zurück in die Stadt, und ich zahle Ihnen alles, was Sie mir an Stunden berechnen.“ Ich stellte meine Forderungen hintan, als ich merkte, wie froh er war, sich in seiner Einsamkeit und Trauer mitteilen zu können. Vor drei Jahren hatte er seine erst neunzehnjährige Tochter Hanna verloren. Unfall. Auf den Tag genau.
„Sie war bei Freunden gewesen und auf dem Nachhauseweg – da ist sie mit einem anderen Autofahrer zusammengeprallt. Bei der Kapelle im Wald …. Ein Betrunkener. Der ist bloß mit einem Kratzer davongekommen! Und die Hanni? Nur fünfhundert Meter weiter im Krankenwagen ...“
Herr Kaulberger starrte auf seine Hände. Welch ein Bild der Ratlosigkeit und Gebrochenheit, wie er an seinen Fingern zog! Eine Weile durchbrach nur das Knacken der Gelenke die Stille.
„Ich warte so sehr auf ein Zeichen von ihr. Ein Zeichen, wo sie ist und wie es ihr geht.“ Seine Frau sei weggezogen, um so gut es ging loszulassen. Und er? Saß weiterhin unter den massiven, niedrigen Deckenbalken des Bauernhauses und … wartete. Wie tat der alte Mann mir Leid!
Um Viertel vor neun verabschiedete ich mich, erleichtert, aber auch mit dem Gefühl, dem armen Herrn Kaulberger einen tröstlichen Nachhall von Leben hinterlassen zu haben.

Nebel dampft über den Belag. Vor mir lösen sich die Umrisse eines Gebäudes aus dem Baumgewirr. Ist es die traurige Erzählung meines Gastgebers, ist es die Dunkelheit selbst und die Fahrt durch die Einöde? Vor Unbehagen schnürt sich mir die Haut zusammen. Sogar die Waldkapelle erscheint mir unheimlich. Kein Licht brennt hinter den Facettenfenstern. Kaum habe ich die Kurve umrundet, als ich einen roten Kerzenschein am Straßenrand züngeln sehe. Weiße Blumen. Trauerband. Da haben wir schon einen, den´s erwischt hat.
Schreckwellen schießen mir ins Herz. Einen Sekundenbruchteil muss ich abgelenkt gewesen sein und die junge Frau übersehen haben. Plötzlich steht sie auf dem Fahrstreifen, wenn auch in einiger Entfernung, sieht mir entgegen.
Auf die Bremse, einen Gang runter!
Hebt sie die Hand zu einem Zeichen?